Der Zweite Weltkrieg ist gerade erst zu Ende gegangen und hat ein gebeuteltes Land hinterlassen. Verlust und Verzicht herrschen noch immer vor als sich Robert aus seinem Bergarbeiterstädtchen auf dem Weg macht, um England zu Fuß zu erkunden. Die Schule hat er gerade beendet und bevor er es seinem Vater und Großvater gleichtut und unter Tage verschwindet, will er etwas sehen von der Welt. Kurz bevor er die Küste erreicht, stößt er auf Dulcies versteckt gelegenes Cottage. Und so eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen! Anpackend, offen, belesen, direkt, mit einer ihm neuen Weltsicht und einem unbegreiflichen Vorrat an Wein, Butter und diversen anderen Lebensmitteln, die er zum Teil noch nie gekostet hat.
„Es war Krieg gewesen, und obwohl der Kampf zu Ende war, tobte er noch immer in den Männern und Frauen, die ihn mit sich nach Hause genommen hatten.
Er lebte in ihren Augen weiter oder hing ihnen schwer um die Schultern wie ein blutgetränkter Umhang. Und er blühte in Ihren Herzen, eine schwarze Blume, die dort Wurzeln geschlagen hatte und nie mehr ausgerissen werden konnte.“ S. 13
Bei ihr lernt Robert neue Sichtweisen, neue Geschmäcker und neue Perspektiven für seine Zukunft kennen. Doch auch die lebensfrohe Dulcie hat ihre dunklen Seiten. Das Meer beispielsweise scheint sie zu bedrücken und was hat es mit dem ihr gewidmeten Manuskript auf sich, dass sie sich weigert zu lesen?
Offene See ist ein hübsches einfaches Büchlein, das mit seinem wundervollen Setting besticht. Sonne, Gras, frische Luft, köstliches Essen und üppige Natur springen einen nur so an. Am liebsten würde man sich zu Dulcie und Robert an ihren Tisch im Freien setzten, mit ihnen essen, trinken, diskutieren und das Leben genießen. Besonders Naturliebhaber kommen hier auf ihre Kosten.
Ich steig aus der Senke, in der das Cottage und die Wiese lagen, und das Land öffnete sich wieder. Hinter mir war eine wogende Decke des Lebens, die sich bis zu den Fischerhäusern in der Bucht erstreckte, und dahinter nichts als Meer, so weit das Auge reichte.“ S. 66
An Personal gibt es – neben Schäferhund Butler – wirklich nur Dulcie und Robert. Und für mich trug Dulcie fast alleine durch dem Roman. Zwar erleben wir mit Ich-Erzähler Robert einiges Neues, wirklich interessant und unterhaltsam wird es aber vor allem im Gespräch mit der lebenserfahrenen Frau.
Man muss in Stimmung sein für dieses einfache kleine Stückchen Sommer im Buchform. Ist man das, kann man ein wenig Freude, ein wenig Leid, ein wenig Ruhe und ganz viel Natur genießen.